Nicht der ganz große Glanz und Glamour früherer Abschiedsfeiern, sondern herzliche Bodenständigkeit und notwendiger Pragmatismus prägten die diesjährige Abschlusszeugnis-Verleihung an der Martin-von-Tours-Schule. Unter Einhaltung der nötigen Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen fand die Zeugnisvergabe der Abschluss-Jahrgänge 2020 in der großen Turnhalle der Neustädter Querallee statt. Musik vom Tonband statt live mit Band, einzelne Stehtische anstelle von Sitzreihen und ein Desinfektionsspender am Eingang sorgten für ein ungewöhnliches Ambiente, konnten aber die Freude über die bestandenen Abschlüsse nicht trüben. Klassenweise unterteilt und nur von maximal zwei Angehörigen begleitet, nahmen die 26 Realschul- und 17 Hauptschulabsolvent*innen ihre Abschlusszeugnisse entgegen. Der Schulleiter Volker Schmidt und die Klassenlehrkräfte Grit Adam (10A), Corinna Pfeiffer und Stefan Seibert (10B), Nadine Kalbfleisch (9A) und Stephan Mannheims (9B) gratulierten den Prüflingen mit einem „Ellenbogen-Kick“ und übergroßen Herz-Emojis anstelle des üblichen Händedrucks oder der Umarmungen zu den erfolgreich bestandenen Prüfungen in einer schwierigen Zeit. Den besten Abschluss des Jahrgangs 10 erreichte Thea Pfeffer aus der Klasse 10B mit dem Notendurchschnitt 1,3, dicht gefolgt von Larissa Schenk aus der Klasse 10A mit 1,4. Ihnen folgten etliche weitere Einser-Durchschnitte in der Jahrgangsstufe 10. In der Jahrgangsstufe 9 erzielte Bendix Bicker aus der Klasse 9B den besten qualifizierenden Hauptschulabschluss, dicht gefolgt von Marvin Kanngießer aus der Klasse 9A. Viele Prüflinge aus der Jahrgangsstufe 9 besuchen weiterhin die Martin-von-Tours-Schule und streben den Realschulabschluss an.

Stolz konnten die Jugendlichen nicht nur auf ihre Leistungen sein, sondern auch darauf, wie positiv denkend und gelassen sie sich trotz der widrigen Umstände auf ihre Prüfungen vorbereitet hatten: zunächst im Rahmen des Homeschoolings, später im Kleingruppen-Unterricht vor Ort, der sich auf die Hauptfächer konzentriert hatte. Gerade diese intensive Prüfungsvorbereitung, aber auch die Selbstdisziplin im Homeschooling war vielen zugute gekommen. Das im Unterricht der „Lernzeit“ (LZ) jahrelang eingeübte selbstorganisierte Lernen wurde in diesen Jahrgängen zum Plus und Muss gleichermaßen.

Die Abschlussjahrgänge 9 und 10 waren die ersten Schülerinnen und Schüler gewesen, die nach dem Lockdown wieder im wochenweisen Wechsel die Schulbank gedrückt hatten und dabei einen Schulalltag meistern mussten, wie er vor einem halben Jahr noch undenkbar gewesen wäre – geschuldet einem Virus, das den Schulalltag in kurzer Zeit so gründlich durcheinander gewirbelt und neu sortiert hat wie wohl noch kein anderer Faktor zuvor. Die Neunt- und Zehntklässler*innen mussten auf Exkursionen und besonders auf ihre heiß ersehnte Abschlussfahrt verzichten, was vielen sehr schwer fiel. Der größte Wermutstropfen in dieser turbulenten Abschlusszeit zwischen Lernen und Lockdown war jedoch, dass sich die Schüler*innen nach der Schulschließung nicht mehr als Klassengemeinschaft wiedersehen konnten, sondern nur noch in Gruppen unterteilt. So stellte die Zeugnisvergabe ein großes und glückliches Wiedersehen mit den Klassenkamerad*innen dar, das einige Schülerinnen zu Tränen rührte.

Trotz dieser Entbehrungen erlebten die Schülerinnen und Schüler aber andererseits auf digitaler Ebene große soziale Nähe und Zusammenhalt: Der enge Kontakt mit Mitschüler*innen und Lehrkräften blieb auch in der „Corona-Krise“ bestehen, es wurde gemailt und telefoniert, und Fotocollagen und lustige Videobotschaften trotzten der räumlichen Trennung. Die Schüler erinnerten mit Bildpräsentationen, kleinen Reden und Videoaufnahmen im Rahmen der kleinen Feier an die letzten Jahre und die Entwicklung ihrer Klassengemeinschaft – angefangen von dem meist turbulenten fünften Schuljahr mit der Klassenfindung in Weidenhausen bis hin zu dem Abschlussfoto, das sich in diesem Jahr als schwierige Herausforderung erwies.

Die Abschlussjahrgänge 2020 jedoch auf die Corona-Erfahrung zu reduzieren, wird ihnen nicht gerecht: So fiel der Jahrgang 10 durch viele besonders gute Leistungen, ungewöhnliche Prüfungsthemen und hohe Kreativität auf. Die Jahrgangsstufe 9 war an der Schule unter anderem bekannt für ihre Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft, Vielseitigkeit und ihr kommunikatives Temperament.

Den Prüflingen war es trotz der vorzeitigen Entlassung aus dem Präsenzunterricht und der damit verbundenen räumlichen Trennung gelungen, an dem Programm ihrer Zeugnisvergabe mitzuwirken. Koordiniert wurde die Verabschiedung von der Klassenlehrerin Grit Adam, die trotz der kurzfristigen und ungewöhnlichen Umstände mit bunten Blumen, Stehtischchen und liebevoll dekorierten Platzkarten für eine sowohl sichere als auch festliche Atmosphäre sorgte. Unterstützt wurde sie dabei von den Klassenlehrkräften. Für die richtigen Töne und die Technik sorgte der junge Musiklehrer Jan Ditters.

Die Zeugnisvergabe war in diesem Jahr auf sehr bodenständige Weise festlich, was auch in der Kleidung der Schüler*innen zum Ausdruck kam: Viele wählten ein hübsches Sommerkleid oder ein lässiges Hemd anstelle der großen Abendrobe oder des Anzugs, und dies hätte nicht besser passen können zu einem Jahr, in dem wir uns alle auf das Wesentliche zu konzentrieren scheinen. „Wir sind gesund, wir sind zusammen, wir haben unseren Abschluss – was will man mehr?“, fragte eine Schülerin. Viele brachten auch ihre Dankbarkeit an die Lehrkräfte zum Ausdruck, die sie in dieser Zeit begleitet hatten.

„Uns bringt nichts auseinander – auch kein Virus!“, scheint das Motto der diesjährigen Abschlussklassen gewesen zu sein.

Nadine Kalbfleisch