Ein Urgestein des Neustädter Schul- und Gemeindelebens wird pensioniert: Volker Schmidt, der langjährige Schulleiter der Martin-von-Tours Schule, wurde am Donnerstag vor den Sommerferien im Kultur- und Bürgerzentrum verabschiedet. Vertreter der Schulgemeinde sowie der Politik und Wirtschaft, des Schulverbundes und des Staatlichen Schulamtes würdigten die Laufbahn sowie das Lebenswerk des 65-jährigen Pädagogen. Die Gäste nahmen Abschied von einem Direktor mit viel Bodenhaftung, Begeisterung für Neuentwicklung und einem wachen Blick für die Menschen um sich herum. Wie tief verwurzelt und vernetzt der gebürtige Neustädter in seiner Gemeinde und darüber hinaus ist, zeigte die lange Gästeliste. Sowohl auf der offiziellen Feier als auch anschließend in privater Runde in der Grillhütte in Hatzbach nahmen Hunderte von Wegbegleitern – darunter auch viele ehemalige Schüler und Kollegen – dankbar Abschied von dem Lehrer, Leiter und unermüdlichen Schulentwickler.
Obwohl die Redner unterschiedliche Seiten Schmidts hervorhoben, wurde schnell ein gemeinsamer Nenner deutlich: Für den „Chef“ war Schulleitung kein reiner Verwaltungsakt, sondern eine Herzensangelegenheit. „Gestalten statt verwalten“ hätte sein Motto lauten können. „Sie waren immer auf Augenhöhe und im Dialog mit ihrer Schulgemeinde“, beschrieb etwa die Schuldezernentin Theresa Mildner den Direktor, als sie ihm seine Urkunde zur Versetzung in den Ruhestand überreichte. Volker Schmidt, der selbst als Schüler die Neustädter Schulbank gedrückt hatte, habe sich stets mit der Bildungsstätte seines Heimatortes identifiziert. Als die Schule aufgrund schwindender Schülerzahlen vor etwa 15 Jahren in eine Krise geraten war, hauchten er und sein Kollegium der totgesagten Lehranstalt wieder Leben ein: durch ein integriertes Gesamtschulkonzept mit Ganztagsangebot, freien Lernzeiten und einem breiten Bildungsangebot. Das neue Konzept entwickelte er zunächst als Lehrer, später als stellvertretender Schulleiter und ab dem Jahr 2015 als Schulleiter mit.
„Geht nicht gibt’s nicht“, scheint das Motto der sportlichen Führungskraft zu lauten: „Ausdauer, Wille und Überzeugung haben Sie getragen“, brachte Theresa Mildner die innere Haltung des scheidenden Schulleiters auf den Punkt. „Du brennst für diesen Job und hast das Licht in der Neustädter Schule immer wieder entzündet“, bestätigte auch der Landtagsabgeordnete Sebastian Sack (SPD). Schmidt habe gegenüber der Politik stets Rückgrat gezeigt und sich für eine bunte und vielfältige Schulgemeinschaft eingesetzt. „Du bist ein Macher“, bekräftigte auch Carmen Schick, die Schmidts Aufgaben nun als stellvertretende Schulleiterin übernimmt.
Jene Tatkraft und Hartnäckigkeit, gepaart mit Optimismus und der Lust auf neue Wege, schwangen auch in weiteren Reden mit. Besonders berührten die Worte des sehbehinderten ehemaligen Schülers Roman Qayumi, dem Schmidt und sein Schulteam nicht nur die Teilnahme an einem regulären Unterricht, sondern auch an einer Skifreizeit ermöglicht hatten. „Lehrkräfte können viel mehr als nur Lehrer sein – das habe ich in Neustadt erfahren“, erklärte der angehende Jurist. Herr Schmidt habe niemanden im Stich gelassen – und wenn dies bedeutete, hunderte von Kilometern durch Tiefschnee und Dunkelheit in die Augenklink zu fahren. „Ich bin stolz, Ihr Schüler gewesen zu sein“, beendete der Ehemalige seine Rede.
Der 1. Kreisbeigeordnete Peter Neidel betonte Schmidts Engagement in der Projektarbeit, im Einsatz digitaler Medien oder bei der Organisation der Stundenpläne und des Vertretungsunterrichts. „Ein Kapitän kann nie alleine ein Schiff steuern“, gab Schmidt die Anerkennung an sein Kollegium und Sekretariat weiter. „Eine einsame Spitze gab es bei uns nie.“
Stefan Seibert fand nicht nur ehrende Worte als ehemaliges Neustädter Schulleitungsmitglied und jetziger stellvertretender Leiter der Georg-Büchner-Schule in Stadtallendorf, sondern vor allem als früherer Kollege und Freund: Er erinnerte sich gerne an die Zusammenarbeit, eine gesunde Hemdsärmeligkeit und ab und an auch mal eine Bratwurst als Lösungsansatz, wie er schmunzelnd verriet.
Der Neustädter Bürgermeister Thomas Groll (CDU) lobte Schmidts Umgang mit den Herausforderungen der letzten Jahre, die nicht nur ein sich stark wandelndes Schulsystem, sondern auch die Corona-Krise und Migrationswellen umfasst hatten. Die Gesamtschule habe sich stets aktiv und positiv in das Gemeindeleben eingebracht, etwa jüngst bei der Verlegung der Stolpersteine. Zuletzt prognostizierte der Lokalpolitiker seinem Gefährten einen langen und rührigen Ruhestand: „Schulleiter in Neustadt haben ein langes Leben, wie man an Ihren Vorgängern sieht.“ Was passte besser zu dieser Aussage als die Geschenke des Personalrates, die unter anderem eine Ruhebank und eine extragroße Tube Voltaren enthielten? Auch Schülerinnen der Klasse 7B nahmen stellvertretend für die gesamte Schülerschaft Abschied von ihrem „Direx“ und wünschten ihm einen Stundenplan voller Spaßmomente.
Matthias Bosse, Schulleiter der Kirchhainer Alfred-Wegener-Schule, unterstrich unter anderem die gute Zusammenarbeit mit der Martin-von-Tours Schule im Rahmen des Schulverbundes. Schmidts Einsatz für die Berufsorientierung als wichtige Säule der Gesamtschule thematisierte Stefanie Kruppa vom Arbeitskreis Studium plus im Kreis ihres Teams.
Alle Reden waren in ein buntes Rahmenprogramm eingebettet: Die Lehrerin Daniela Schmittdiel und ihre Viertklässler berührten den Ruheständler und seine Gäste mit Liedbeiträgen, bei denen die Taschentücher ganz wörtlich flatterten und vor Lachen und Weinen kein Auge trocken blieb. Der ehemalige Musiklehrer Stefan Groll und die stimmstarke Ricarda Geißel ließen mit einem Song-Potpourri die letzten Jahrzehnte Revue passieren, wobei sie Schwerpunkte auf die Jahre setzten, die Meilensteine in Schmidts Laufbahn markiert hatten. Die Gastro-Schülerfirma kredenzte Sekt und kleine Köstlichkeiten.
Eine sehr persönliche Würdigung erhielt der Direktor von seinem Schulleitungsteam, das ihm unter anderem einen Baum schenkte, der die integrierte Gesamtschule symbolisierte. Schmidt habe in den Jahren seines Wirkens fleißig mitgegärtnert, sodass der Baum nun zahlreiche Früchte wie die „Mittagsverpflegung“, die „Digitalisierung“ oder die „Schülerfirmen“ trage. Der Teamplayer und Technik-Fan zeigte sich sichtlich gerührt: „Nur mit eurer Unterstützung hatte ich eine so schöne Zeit als Leiter der Martin-von-Tours Schule.“ Und was kommt jetzt, mit 66 Jahren? Da fängt das Leben an – das wusste ja schon Udo Jürgens. Für Schmidt stehen jetzt seine Familie, sein Haus und seine Mühle, ein paar Schafe und eine Reise nach Costa Rica auf dem Plan – kein Problem für einen Macher wie ihn.
Nadine Kalbfleisch für die Martin-von-Tours Schule