Wer im Rauschenberger Glashaus sitzt, sollte mit Farben, Formen und Ideen um sich werfen: Diese Abwandlung des altbekannten Sprichwortes setzten fast 40 Schülerinnen und Schüler dreier Schulen mit viel Fantasie um. Im Rahmen eines Projektes des Künstlers und Designers Horst Barthel schufen die 14- bis 16-Jährigen über 100 Exponate, die am Freitagabend im Rahmen einer Vernissage der Öffentlichkeit präsentiert wurden. Die meisten Werke entstanden an der Martin-von-Tours-Schule in Neustadt. Monatelang hatten sich die beiden neunten Klassen unter Anleitung des Projektverantwortlichen theoretisch mit Kunst und Gestaltung auseinandergesetzt sowie selbst gezeichnet, gemalt, gesprayt, gefilmt und fotografiert. Den Höhepunkt des Projektes bildete die Ausstellung in Rauschenberg, zu der etwa 90 Eltern, Schulmitglieder und Kunstinteressierte erschienen waren.
Die Kunst im Glashaus konnte sich sehen lassen: Authentisch, frisch und unverkrampft gaben sich nicht nur die Jungkünstler/innen, sondern auch deren Werke. Ob buntbesprühte Flasche oder Fingertupfen-Bild, Foto oder Möbelstück, fröhlicher Farbrausch oder ökopolitisches Statement – fast jede/r Jugendliche hatte eine Möglichkeit gefunden, sich auszudrücken. „Schön ist es geworden“, zeigte sich Horst Barthel am Ende des Abends von der bunten Vielfalt zufrieden. Auch die Schüler waren begeistert: „Mir hat das Projekt sehr gefallen, weil man sich frei aussuchen konnte, was man macht“, erklärte etwa der Neuntklässler Marvin Kanngießer. Er hatte mit Sprühfarben fast ein Dutzend bemerkenswerter Bilder geschaffen: „Meine Bilder sollen zeigen, dass Kreativität keine Grenzen hat und dass man einfach mal drauflos gestalten sollte – dann kommen die Ideen von selbst!“
Die Ausstellung ist Teil des Förderprogramms „Kulturkoffer Hessen“ des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst. Der Verein „Kulturherbst Burgwald e. V.“, der sich mit der Förderung kultureller Projekte in der Region beschäftigt, brachte das Konzept des Vereinsmitglieds Horst Barthel ein, der mit seinem „Nachwuchs-Gestaltungs-Preis für Schüler“ überzeugen konnte. Nach Anfrage bei dem Rauschenberger Lehrer Stefan Seibert, der Sekundarstufenleiter an der Martin-von-Tours-Schule ist, konnte Barthel auch die neunten Klassen der Neustädter Gesamtschule für seine Projektidee gewinnen. Schüler der Alfred-Wegener-Schule in Kirchhain und der Mittelpunktschule Wohratal beteiligten sich ebenfalls an dem Konzept, das eine Brücke zwischen Schulen, Künstlern und Handwerksbetrieben schlagen will. In Workshop-Blöcken arbeiteten die Jugendlichen an ihren selbstgewählten Projekten, wobei der Spaß am Handwerk und an der Selbsttätigkeit im Vordergrund stehen sollte. „Für viele war es eine wichtige Erfahrung, einmal einen 4B-Stift anstelle eines Handys in der Hand zu halten“, erklärte Horst Barthel. Themen und Kunstformen wie Musik, Literatur, Kreativ-Catering, Film und Fotografie, Umwelt und Natur sowie Sprayfarbe und Möbel boten fast grenzenlose Gestaltungsmöglichkeiten.
Die Schirmherrschaft für dieses Pilotprojekt hatte die Landrätin Kirsten Fründt übernommen, die auch einige Begrüßungsworte an die Schüler und Gäste richtete. Sie betonte, dass Rauschenberg durch Veranstaltungen wie die Rauschenale oder eben dieses Projekt ein Paradebeispiel für eine ländliche Region mit kulturellem Schwerpunkt sei. Besonders lobte sie die Einbeziehung junger Menschen am Beginn ihres Berufslebens, die auf diese Weise mit Kunst und Handwerk in Berührung kämen. „Alles ist mit viel Herzblut entstanden“, lobte auch Wolfram Moniac, Erster Vorsitzender des Kulturvereins, in seiner Ansprache die Werke der Jugendlichen. Dieses Kulturprojekt sei zukunftsfähig und solle kein einmaliges Ereignis bleiben.
Auch die Schulleiter der drei teilnehmenden Schulen in Neustadt, Kirchhain und Wohratal begrüßten das Projekt. Matthias Bosse, Schulleiter der Alfred-Wegener-Schule, betonte, wie sehr das Handwerk begeisterte und geschickte junge Leute benötige und lobte die Zusammenarbeit zwischen Schule und externen Kräften. Dem schlossen sich auch die Direktoren Michael Vaupel von der Mittelpunktschule Wohratal und Volker Schmidt von der Martin-von-Tours-Schule an. „Wir sind zwar eine eher kleine Schule, aber mit großem Potenzial, wie man sieht“, lobte Schmidt seine Schülerinnen und Schüler, welche die Vernissage auch mit einem Schnittchen-Büffet und Musik der Schulband bereicherten. Auch Stadtallendorfs Bürgermeister Christian Somogyi und Stephan Becker von der Tischlerinnung Marburg freuten sich über die kreative Kunst in solch vielfältiger Form.
Der Projektverantwortliche Horst Barthel dankte den Schulen noch einmal für ihre Kooperationsbereitschaft und zeigte sich an diesem Abend sichtlich erleichtert. Es sei nicht immer einfach gewesen, das Projekt umzusetzen, da es einige Hürden in Form von Terminschwierigkeiten und zunächst unterschiedlichen Zielvorstellungen gegeben habe. Die Kunstlehrerinnen Rebekka Arendt und Sabine Frech, die das Projekt an der Martin-von-Tours-Schule begleitet hatten, bestätigten dies. Letztendlich sei dieses Vorhaben jedoch nach Startschwierigkeiten sehr gut geglückt. „Im Mittelpunkt steht nicht nur das Ergebnis, sondern der gesamte Prozess“, betonte der Designer Horst Barthel. „Für viele war es eine wichtige Erfahrung, mit verschiedenem Material selbst tätig zu werden.“
Die Ausstellung ist mit ihren „Kreativ–Tischen“, die zum Mitmachen einladen, noch aktiver Bestandteil des Konzeptes. Der gesamte Projekt-Prozess wird in einer Dokumentation zusammengefasst und ebenso in gedruckter Weise erscheinen. Die festliche Vernissage, die für viele Schüler den ersten Kontakt mit einer kulturellen Veranstaltung dieser Dimension darstellte, klang in fröhlicher Partystimmung aus, als die Jugendlichen zu Live-Musik zwischen den Exponaten tanzten. „Dieser Abend war ein Gesamtkunstwerk!“, waren sich Künstler, Lehrer und Schüler am Ende des Abends einig.
Nadine Kalbfleisch